Neue Geopolitik
Politikum 2/2019
Die internationale Ordnung gleicht seit einiger Zeit eher einer 'Un-Ordnung' ohne klare Konturen, mit widersprüchlichen Tendenzen und hohem Konflikt- und Chaospotential. Die USA ziehen sich aus weltpolitischer Verantwortung zurück und handeln zunehmend nach der Devise 'America First', China hingegen formuliert recht unverhohlen seinen weltpolitischen Führungsanspruch und versucht diesen u. a. mit seiner 'Seidenstraßeninitiative' zu untermauern und Russland denkt mit dem Konzept der 'Russischen Welt' ebenfalls wieder in Kategorien der Beherrschung von Räumen und militärisch abzusichernden Einflusszonen. Zunehmend gerät dabei in Wissenschaft und Politik der Zusammenhang zwischen geographischen Gegebenheiten und politischen Konstellationen wieder in den Blick. Kurzum: Der Begriff 'Geopolitik' erfährt in mancherlei Hinsicht eine Renaissance.
In Deutschland hat Geopolitik dabei aus sehr guten Gründen einen schlechten Ruf. Denker wie Friedrich Ratzel (1844 – 1904) oder Karl Haushofer (1869 – 1946) lieferten die argumentative Grundlage für einen 'Kampf um Lebensraum' und die aggressive nationalsozialistische 'Blut-und-Boden-Politik'. So sehr Geopolitik in Deutschland nach 1945 tabuisiert wurde, so sehr blieben allerdings geopolitische Denkmuster im angloamerikanischen Sprachraum und darüber hinaus stets wirkmächtig – und geographische Fakten und Tatsachen beeinflussen den Lauf der Geschichte ja auch in mancherlei Hinsicht unbestreitbar. Dass sie das in veränderter Weise tun und im Zuge der Globalisierung eine 'Neue Geopolitik' vonnöten ist – jenseits von geostrategischen Konkurrenzreflexen und simplistischen Raumkonzepten –, macht die Auseinandersetzung damit spannend.
Diese Ausgabe von nimmt diese 'Neue Geopolitik' in den Blick. In zwei Grundsatzbeiträgen wird zunächst aus unterschiedlichen Perspektiven konzeptionell auf Geopolitik geblickt, einmal eher kritisch mit dem Plädoyer für ein postmodernes Verständnis und einmal eher klassisch mit der Begründung für eine Art Ehrenrettung. Zudem werden geopolitische Vorstellungen dreier großer Mächte – USA, China und Russland – analysiert und gefragt, wie sich Deutschland den veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen stellen soll. In einem Interview werden die langen Linien geopolitischen Denkens herausgearbeitet und in einem Forums-Beitrag wird argumentiert, dass die EU eine strategische Sensibilisierung benötigt.
Dr. Rudolf G. Adam
ist Politikberater und Publizist und war u.a. Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes.
Dr. Josef Braml
ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches 'Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit'. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch über seinen Blog: usaexperte.com
Dr. Nadine Godehardt
forscht zur chinesischen Außenpolitik mit einem besonderen Fokus auf Chinas globaler Konnektivitätspolitik und Geopolitik. Sie ist stellvertretende Forschungsgruppenleiterin der Forschungsgruppe Asien an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.
Dr. Jan Helmig
ist Lehrbeauftragter der Universität Bielefeld. Zu seinen Forschungsinteressen gehören u. a. Theorien der Internationalen Beziehungen (IB), insbesondere in Verbindung mit Sicherheitspolitik.
Prof. Dr. Robert Kappel
(Jahrgang 1946) lehrte am Institut für Afrikanistik der Universität Leipzig und war lange Jahre Präsident des GIGA German Institute of Global and Area Studies', Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg.
Dr. Paul J. Kohlenberg
ist Wissenschaftler im DFG-Projekt 'Which region?' der For-schungsgruppe Asien an der SWP.
Dr. Kai-Olaf Lang
ist Senior Fellow am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Er zählt zu den führenden europäischen Osteuropaexperten.
Dr. Stefan Meister
war lange Jahre Osteuropaexperte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin und arbeitet seit April 2019 für die Heinrich-Böll-Stiftung.
Prof. Dr. Herfried Münkler
lehrte bis zu seiner Emeritierung im Oktober 2018 politische Theorie und Ideengeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist einer der führenden deutschen Intellektuellen und viele seiner Bücher gelten als Standardwerke.
Jan Techau
(Jahrgang 1972) ist Senior Fellow und Direktor des Europaprogramms beim German Marshall Fund of the United States in Berlin. Er ist Autor des Buches 'Führungsmacht Deutschland. Strategie ohne Angst und Anmaßung'.
Jan Helmig:
Konstruktive Geopolitik
Über unterschiedliche Möglichkeiten, Raum zu denken
Rudolf G. Adam:
Geopolitik als politisches Argument
Eine differenzierte Ehrenrettung
Josef Braml:
Die Geo-Ökonomie der USA
Stefan Meister:
Russische Geopolitik in einer polyzentrischen Welt
Nadine Godehardt und Paul J. Kohlenberg:
Konnektivitätspolitik: Geopolitik auf Chinesisch?
Pro & Contra
Deutsche Außenpolitik: verkehrt oder bewährt?
Jan Techau:
Deutsche Außenpolitik muss strategischer werden
Robert Kappel:
In der Falle der Geopolitik. Deutsche Außenpolitik hat sich bewährt
Interview mit Herfried Münkler:
"Und von dem Augenblick an waren geopolitische Fragen wieder da"
Über die langen Linien geopolitischen Denkens
Forum
Kai-Olaf Lang:
Schluss mit strategischer Blindheit: Die EU braucht eine balancierte Geopolitik
Rezensionen und Literaturtipps
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- Artikel-Nr.: SW9783734408489110164
- Artikelnummer SW9783734408489110164
-
Mit
Johannes Varwick
- Wasserzeichen ja
- Verlag Wochenschau Verlag
- Seitenzahl 80
- Veröffentlichung 29.05.2019
- ISBN 9783734408489
- Wasserzeichen ja