Wem nutzt die Politikwissenschaft?

Politikum Sonderheft 2020

Von Anfang an begleiteten die deutsche Politikwissenschaft Prozesse der Selbstverortung und der Selbstvergewisserung. Dabei wurde auch immer wieder die Frage gestellt, welche Bedeutung sie für die Gesellschaft hat. In den letzten Jahren ist diese Frage zunehmend kontrovers diskutiert worden. Während einige Wissenschaftler*innen nach wie vor die Relevanz und die gesellschaftliche Wirksamkeit ihrer Disziplin betonen und ihr auf Grund ihrer modernen inhaltlichen und methodischen Ausdifferenzierung, ihrer Forschungsleistungen sowie ihrer konsolidierten Internationalisierung ein wettbewerbsfähiges Leistungspotenzial bescheinigen (Bleek, Gawrich), diagnostizieren andere ihre... alles anzeigen expand_more

Von Anfang an begleiteten die deutsche Politikwissenschaft Prozesse der Selbstverortung und der Selbstvergewisserung. Dabei wurde auch immer wieder die Frage gestellt, welche Bedeutung sie für die Gesellschaft hat. In den letzten Jahren ist diese Frage zunehmend kontrovers diskutiert worden. Während einige Wissenschaftler*innen nach wie vor die Relevanz und die gesellschaftliche Wirksamkeit ihrer Disziplin betonen und ihr auf Grund ihrer modernen inhaltlichen und methodischen Ausdifferenzierung, ihrer Forschungsleistungen sowie ihrer konsolidierten Internationalisierung ein wettbewerbsfähiges Leistungspotenzial bescheinigen (Bleek, Gawrich), diagnostizieren andere ihre "Randständigkeit" (Greven) und sprechen von der "Irrelevanz der Politikwissenschaft" (Decker) oder befürchten auf Grund einer thematischen Zersplitterung den Verlust ihrer Identität.



Vor diesem Hintergrund hat im Dezember 2019 die Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) eine Thementagung zu der Frage veranstaltet: "Wie relevant ist die Politikwissenschaft? Wissenstransfer und gesellschaftliche Wirkung von Forschung und Lehre". Aus dieser Tagung ergab sie die Idee für das Sonderheft der Zeitschrift , in dem auch eine Reihe der Tagungsteilnehmer*innen mit einem Beitrag vertreten sind.



Ziel dieses Heftes ist es nicht nur einen Einblick in die Kontroverse um den gesellschaftlichen Nutzen der Politikwissenschaft zu geben, sondern auch einen Überblick über die zentralen Themen, Fragestellungen und Ergebnisse der einzelnen Teilgebiete und ihrer Leistungen für die Gesellschaft zu liefern. Nach einer historischen Einführung zur Debatte im Fach erläutern einzelne Teildisziplinen ihre politische Relevanz für die politische Praxis: Politische Theorie, Demokratieforschung, Forschungen zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Parteienforschung, Politische Soziologie, Politische Ökonomie, Internationale Beziehungen und politische Bildung. Ergänzt werden diese Beiträge durch Interviews zum Selbstverständnis der Politikwissenschaft sowie zur Rolle der Politikwissenschaft in der Politikberatung.

Im Ergebnis wird deutlich, dass weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass die Politikwissenschaft für die Gesellschaft von zunehmender Bedeutung ist. Die Frage jedoch, wie diese Bedeutung der Öffentlichkeit nachhaltig vermittelt werden kann, bleibt kontrovers.



Dr. Sabine Achour

ist Professorin für Didaktik der politischen Bildung an der Freien Universität Berlin und Mitherausgeberin von Politikum.



Dr. Ursula Birsl

ist Politikwissenschaftlerin und Universitätsprofessorin für Demokratieforschung mit den Schwerpunkten EU, Politische Systeme im europäischen Vergleich und BRD an der Philipps-Universität Marburg.



Dr. Isabelle Borucki

leitet seit Februar 2018 DIPART. Digitale Parteienforschung – Parteien im digitalen Wandel, eine Nachwuchsforschungsgruppe an der NRW School of Governance, Universität Duisburg-Essen.



Prof. Dr. Frank Decker

lehrt Politische Wissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und ist Wissenschaftlicher Leiter der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP).



Prof. Dr. Nicole Deitelhoff

ist seit 2009 Professorin für Politikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. Sie ist Sprecherin des vom BMBF geförderten Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Geschäftsführende Direktorin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) sowie designierte Direktorin des Forschungsverbundes "Normative Ordnungen" der Goethe-Universität Frankfurt. Sie forscht zur Umstrittenheit und zu Krisen von Institutionen und Normen, Grundlagen politischer Herrschaft und ihrer Legitimation, Formen von Opposition und Dissidenz sowie zu Demokratie und Zusammenhalt.



Prof. Dr. Martin Elff

lehrt Politische Soziologie an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee.



Dr. Dannica Fleuß

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Politische Theorie an der Helmut-Schmidt Universität/Univ. der Bundeswehr Hamburg und Research Associate am Centre for Deliberative Democracy and Global Governance der University of Canberra (Australien). Sie ist eine der Vorsitzenden der Specialist Group für "Participatory and Deliberative Democracy" der Political Studies Association (UK).



Dr. Karl-Rudolf Korte

ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen, seit 2006 Direktor der NRW School of Governance und Geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift für Politikwissenschaft – Journal of Political Science.



Dr. Peter Massing

war Professor für Politikwissenschaft und Politikdidaktik an der Freien Universität Berlin. Er ist Mitherausgeber von Politikum.



Dominik Meier

ist Vorsitzender der de'ge'pol – ­Deutsche Gesellschaft für Politikberatung und Inhaber der Strategieberatung Miller & Meier Consulting (MMC), die er 1997 gemeinsam mit Constanze Miller gründete. Er ist stv. Vorsitzender der Public Affairs Community of Europe (PACE) und im Beirat von Transparency International Deutschland. Dominik Meier studierte Soziologie, Geschichte und Theologie in Freiburg und Paris.



Prof. Dr. Johannes Varwick

lehrt Internationale Beziehungen und Europäische Politik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, ist Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik und Mitherausgeber von Politikum.



PD Dr. Joscha Wullweber

ist derzeit Vertretungsprofessor für Politische Ökonomie und Global Governance an der Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft der Universität Witten/Herdecke.



Dr. Joachim Zweynert

ist Professor für Internationale Politische Ökonomie an der Universität Witten/Herdecke.



Peter Massing

Ursprünge und Selbstbeschreibungen der Politikwissenschaft



Dannica Fleuß

Warum Politische Theorie nicht praxisfern sein muss



Interview mit Frank Decker

zur "Versozialwissenschaftlichung" der Politikwissenschaft



Ursula Birsl

Neue Wege der Demokratieforschung



Karl-Rudolf Korte

Kopf oder Zahl? Über Relevanz und Maßstäbe der Politikwissenschaft



Interview mit Nicole Deitelhoff

Mut zur Polarisierung



Isabelle Borucki

Ein Plädoyer für mehr Dialog zwischen dem Fach und seinem Gegenstand:

Parteienforschung



Martin Elff

Wann wird Unzufriedenheit zu einer Gefahr für die Demokratie?

Zur gesellschaftlichen Relevanz der Politischen Soziologie



Joscha Wullweber und Joachim Zweynert

Geld, Staatsschulden und Wirtschaftskrisen.

Der Mehrwert der Politischen Ökonomie



Interview mit Dominik Meier

über die Perspektive der Politikberatung



Johannes Varwick

Politik unter den Bedingungen der Anarchie – Internationale Beziehungen



Sabine Achour

Das Revival der politischen Bildung – ein Höhenflug nur mit der Politikwissenschaft?!





Rezensionen



Überblick über die Diskussionsbeiträge einiger Fachvertreter*innen

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