Nebelmeer und Wermutsteppe

Begegnungen

Realistische Kunst sucht im Alltäglichen das Unalltägliche, sagt Uwe Berger. So erinnert er sich eigener Kindheitserlebnisse im okkupierten polnischen Kleczew. So besucht er die Heimat seiner Frau in Grimma und Umgebung. So findet er Rembrandt an der Newa. Und so steht er in Nowgorod vor der kargen Hinterlassenschaft örtlicher Partisanen. Das Grab von Puschkin im Swatogorski-Kloster rührt ihn angesichts der Ergriffenheit der Bevölkerung. Er betritt die Steppen und Wüsten Mittelasiens, ist bei den Kasachen, Ukrainern und Deutschen zu Gast, die sie besiedeln. Zu spüren ist seine Lust, das Gemeinsame im Andersartigen zu finden. Am Fuß des... alles anzeigen expand_more

Realistische Kunst sucht im Alltäglichen das Unalltägliche, sagt Uwe Berger. So erinnert er sich eigener Kindheitserlebnisse im okkupierten polnischen Kleczew. So besucht er die Heimat seiner Frau in Grimma und Umgebung. So findet er Rembrandt an der Newa. Und so steht er in Nowgorod vor der kargen Hinterlassenschaft örtlicher Partisanen. Das Grab von Puschkin im Swatogorski-Kloster rührt ihn angesichts der Ergriffenheit der Bevölkerung. Er betritt die Steppen und Wüsten Mittelasiens, ist bei den Kasachen, Ukrainern und Deutschen zu Gast, die sie besiedeln. Zu spüren ist seine Lust, das Gemeinsame im Andersartigen zu finden. Am Fuß des innerasiatischen Gebirgssystems Tienschan lernt er Lennart Meri kennen, der als estnischer Wissenschaftler auftritt und später einmal estnischer Staatspräsident sein wird.



INHALT:

Die Schule

Die Flucht

Der Hafen

Nebel auf dem Meer

An der Having

Steingrab

Thiessow

Das Jagdschloss

Damgarten

Küstenfischer

Flüchtiges Leben

Erdgas

Das Heimatmuseum

Geschichtsperioden

Nationalcharakter

Gespräch

Der ehemalige Smutje

Steinmetzen

Der alte Fahrer

Das fleißige Schippchen

Fremd und vertraut

Ein ungewöhnliches Panorama

Wörlitzer Park

Schwarzbunte

Geschichte und Gegenwart

Talsperren

Saurierfährten

Die Hochhäuser von Lobeda

Duplizität

Kindheitsstätten

Nimbschen

Regnerisches Dresden

Wegstunden

Winter auf dem Fichtelberg

Das bunte Städtchen

Erze und Menschen

Fremde Sprachen

Rembrandt an der Newa

Die Minute

Der Waliser

Wald, Wald …

Barfuß

Das Grab Puschkins

Katakomben

Am Ufer des Wolchow

Partisanen

Uspenski sobor

Wiedersehen mit Moskau

Sagorsk

Archangelskoje

Schwarze Wüste am Aralsee

Das Rauschen von Alma-Ata

Bauen in Mittelasien

Die bunten Berge

Ilital

Andersartig

Die Jurte

Händewaschen

Alte Bräuche

Landung in der Wüste

Saigas

Steppenstadt

Kein besonderes Werk

Singen

Trommelnder Hufschlag

Taiga in der Steppe

Trinksprüche

Salzige Lippen

Mephisto

Die Steppe prüft jeden



Die Schule

Die Flucht

Der Hafen

Nebel auf dem Meer

An der Having

Steingrab

Thiessow

Das Jagdschloss

Damgarten

Küstenfischer

Flüchtiges Leben

Erdgas

Das Heimatmuseum

Geschichtsperioden

Nationalcharakter

Gespräch

Der ehemalige Smutje

Steinmetzen

Der alte Fahrer

Das fleißige Schippchen

Fremd und vertraut

Ein ungewöhnliches Panorama

Wörlitzer Park

Schwarzbunte

Geschichte und Gegenwart

Talsperren

Saurierfährten

Die Hochhäuser von Lobeda

Duplizität

Kindheitsstätten

Nimbschen

Regnerisches Dresden

Wegstunden

Winter auf dem Fichtelberg

Das bunte Städtchen

Erze und Menschen

Fremde Sprachen

Rembrandt an der Newa

Die Minute

Der Waliser

Wald, Wald …

Barfuß

Das Grab Puschkins

Katakomben

Am Ufer des Wolchow

Partisanen

Uspenski sobor

Wiedersehen mit Moskau

Sagorsk

Archangelskoje

Schwarze Wüste am Aralsee

Das Rauschen von Alma-Ata

Bauen in Mittelasien

Die bunten Berge

Ilital

Andersartig

Die Jurte

Händewaschen

Alte Bräuche

Landung in der Wüste

Saigas

Steppenstadt

Kein besonderes Werk

Singen

Trommelnder Hufschlag

Taiga in der Steppe

Trinksprüche

Salzige Lippen

Mephisto

Die Steppe prüft jeden



„Der Kapitän war ein wütender Nazi, einer mit dem Messer zwischen den Zähnen, weißt du. Einer, der uns schindete und die Gefangenen folterte. Mir befahl er, ihnen Wassersuppe zu kochen. ,Das kannste den Hunden zu fressen geben’, sagte er - aber sie bekamen doch was anderes. Unser Kahn soff nach dem Ereignis bald ab, und ich verlagerte meine Tätigkeit vom Wasser ganz aufs Land. Wie gesagt, ich war Smutje und hatte Verpflegung ranzuschaffen und zu verteilen. Dazu musste ich Fahrten über Land machen. Die Partisanen schnappten Kommandeure und Transporte samt Begleitschutz weg. Aber mir ist nie etwas passiert. Kannst du dir das erklären?“

„Nein.“

„Ich anfangs auch nicht. Aber das war so. Ich bekam schnell Kontakt zu den Letten. Es waren einfache Menschen wie ich. Statt Lebensmittel zu ,requirieren’, bezahlte ich. Denn ich verstand was von Buchführung und schob die Zahlen hin und her. Sie luden mich zu sich ein, und ich war sogar auf Bauernhochzeiten dabei. In Zivil natürlich. Wenn mich die von der Militärpolizei, die Kettenhunde, erwischt hätten, wär es mir wohl schlecht ergangen. Natürlich kam ich nicht mit leeren Händen. Meine lettischen Freunde passten auf, dass ich heil wieder nach Hause gelangte.“

Später lernte der Smutje einen Arzt und eine Lehrerin kennen, die in zwei verschiedenen Ortschaften wohnten. Beide sprachen deutsch.

„Sie weihten mich nicht gerade ein. Aber wenn ich mich von ihnen verabschiedete, bekam ich genaue Hinweise. Fahr nicht die Straße, sondern die! Und auf der ersten Straße knallte es denn auch an dem Abend.“

Das Telefon klingelt. Fredrich greift nach dem Hörer und nimmt eine Sturmwarnung entgegen. Anschließend telefoniert er auf einem anderen Apparat mit verschiedenen Stellen der Einrichtung und gibt die Meldung, mit guten Ratschlägen verbunden, weiter. Als das erledigt ist, frage ich: „Was tatst du bei dem Arzt und der Lehrerin?“

Der ehemalige Smutje kratzt sich den Kopf, dort, wo er kahl wird, und lächelt.

„Wir spielten Domino. Aber dabei wurde allerhand besprochen. Sie hatten mich einbezogen in die Versorgung der Widerstandsbewegung. Statt zu holen, brachte ich was. Die deutschen Versorgungslager standen mir ja offen, und die Buchhaltung verstand ich, wie gesagt. Da ich überall durchkam, überbrachte ich auch mal verschlüsselte Nachrichten oder nahm einen Kranken mit, der nicht krank war. Meine Eierhandgranaten ließ ich oft bei ihnen liegen. Was sollte ich mit den riskanten Dingern?“

Es wurden Erkennungszeichen und die Plätze für den Austausch von Lebensmitteln vereinbart. Fredrich erinnert sich noch heute an sein Klopfzeichen, auf das ihm überall geöffnet wurde. Er macht es mir mit geübter Hand an seinem Schreibtisch vor: dreimal lang - einmal kurz - einmal lang.

Dann erzählt er weiter: „Mit mir fuhr mein Gehilfe, der Fahrer. Der ahnte natürlich einiges und bekam Angst. ,Um Gottes willen’, jammerte er, ,das kann doch nicht gut gehen. Sie werden uns an die Wand stellen!’ Zu dem hab ich gesagt: ,Hör mal zu, Schorsch. Wenn du diesen Krieg überleben willst, dann machst du mit.' Natürlich musste ich auch vor ihm vorsichtig sein. Aber so war es. Wir lebten auf einem Pulverfass, doch nie ist uns was passiert. Auch nachher nicht, als wir in der vordersten Linie lagen. Die sowjetische Artillerie hatte sich gut eingeschossen. Den Stabsbunker weit hinten erwischte ein Volltreffer. Autos, die nachts fuhren, wurden von Partisanen abgefangen, und am Tage rasierte die Artillerie jeden Radfahrer weg. Wir sind tags und nachts gefahren.“

„Wie konnte das sein?“

„Sie hatten eine Aufklärung, die fast alles wusste. Einmal kam ein Schiff auf der Dwina an mit einer weißen Fahne - Überläufer von der anderen Seite. Sie brachten ihre Waffen mit und wollten, wie sie angaben, gegen den Bolschewismus kämpfen. Sie wurden an einigen Stellen eingesetzt. Doch nach einem dreiviertel Jahr verschwanden sie alle über Nacht. Es waren Aufklärer."

„Ist denn aber niemand aufgefallen, dass ihr immer durchkamt?“

„Wem sollte es auffallen? Ach ja, es gab unter den Letten einen, der mir nicht grün war. Er verschwand, ich weiß nicht, wohin. ,Weg!‘, sagte die Lehrerin zu mir mit einer Handbewegung. Übrigens ging es ja bald dem Ende zu. Die Nazis verdufteten beizeiten mit vollgepackten Autos. Die Offiziere saßen weit hinten ... Freilich haben sie noch geschlachtet, besonders die SS. Eigene Leute haben sie umgebracht und das den Partisanen in die Schuhe geschoben. Eine Geisel wurde lebendig an die Kirchentür genagelt. Der Gekreuzigte …“

„Über die Deutschen, die einundvierzig der Sowjetunion den Angriffstermin mitteilten, hat mal jemand gesagt, sie hätten die Barrikade zum anderen, aber auch zu ihrem eigenen Volk überstiegen. Du hast die Barrikade damals auch überstiegen.“



Uwe Berger wurde 1928 in Eschwege geboren. Seine Jugend verlebte er in Emden und Augsburg. Mit 15 Jahren war er Flakhelfer bei Berlin. Anfang 1945 meldete er sich, um nicht zur Waffen-SS gezogen zu

werden, freiwillig zur Kriegsmarine. Im selben Jahr wurde er vorzeitig aus britischer Gefangenschaft entlassen. Während seines Studiums in Berlin (Germanistik, Kunstwissenschaft) arbeitete er im Volk und Wissen Verlag. Bald darauf wurde er in den Aufbau-Verlag geholt. Wegen eines positiven Gutachtens zu Hanns Eisler („Johann Faustus") maßregelte ihn die SED. Ermutigt sah er sich von Friedrich Wolf und Jahre danach von dem Schriftsteller und späteren estnischen Staatspräsidenten Lennart Meri.

Literarisch bedeutsame Reisen nach Nordrussland (Nowgorod) und Mittelasien, nach Sibirien und anderen Ländern unternahm er mit seiner Frau und Gefährtin.

Er ist 2014 in Berlin verstorben.



Bibliografie

Lyrik und Prosa

Die Einwilligung. Sechs Erzählungen

Straße der Heimat. Gedichte

Der Dom in dir. Gedichte

Der Erde Herz. Gedichte

Hütten am Strom. Gedichte 1946-1961

Rote Sonne. Skizzen und Aufzeichnungen

Mittagsland. Gedichte. Aufbau-Verlag

Gesichter. Gedichte. Aufbau-Verlag

Die Chance der Lyrik. Aufsätze und Betrachtungen

Bilder der Verwandlung. Gedichte

Arbeitstage. Aus dem Tagebuch 1964-1972

Feuerstein. Gedichte. Auswahl und Nachwort von Armin Zeißler

Lächeln im Flug. Gedichte

Backsteintor und Spreewaldkahn. Märkische Landschaften

Nebelmeer und Wermutsteppe. Begegnungen

Zeitgericht (Gedichte 1946-1975)

Leise Worte. Gedichte

Der Schamanenstein. Menschen und Orte

Lächeln im Flug. Ausgewählte Gedichte (1946-1978; russisch)

Nur ein Augenblick. 99 Reiseskizzen

Auszug aus der Stille. Gedichte

Das Verhängnis oder Die Liebe des Paul Fleming (Roman)

Die Neigung. Roman

In deinen Augen dieses Widerscheinen. Gedichte

Woher und wohin. Aufsätze und Reden 1972-1984

Das Gespräch der Delphine. Tierverse

Weg in den Herbst

Traum des Orpheus. Liebesgedichte 1949-1984

Last und Leichtigkeit. Oden

Flammen oder Das Wort der Frau

Suche nach mehr. Roman. 1989-1991

Atem. Liebesgedichte und Grafiken

Räume. Verse und Bilder

Pfade hinaus

Wegworte. Gedichte und Zeichen

Kater-Vater. Sinngedichte

Den Granatapfel ehren, Hundert Gedichte 1946 - 1989

Du wirst sein. Gedichte und Zeichen

Vom Sinn. Nachlese

Ungesagtem lauschen. Aus dem Tagebuch der Jahre 2000 bis 2012

Suche nach mehr

Das Gespräch der Delfine und anderer Tiere

Ein Schiff fährt über Land. Ostfriesland und das Meer

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