Historisch, magisch, fulminant - Das Buch der vergessenen Artisten

„Das Interesse der Zuschauer gilt allem, was kurios ist, Herr Schausteller Bohe. Heutzutage ebenso wie früher.“ (Aus: Vera Buck. Das Buch der vergessenen Artisten. E-Book-Ausgabe)

 

Matthis Bohnsack ist das dreizehnte Kind eines Bohnenbauern. Doch leider ist er allergisch gegen Bohnen und zu zartbesaitet, um auf dem Bauernhof anzupacken. Als ein Jahrmarkt in sein Dorf kommt, ist er fasziniert von Meister Bos Röntgenmaschine und beschließt, von zu Hause fortzulaufen. Er arbeitet von nun an als Meister Bos Assistent und kommt auf den verschiedenen Jahrmärkten mit allerlei Artisten, Künstlern und Kuriositäten in Kontakt.

All dies spielt sich um 1900 ab. In einer zweiten Erzählebene in Hitlerdeutschland ist von der faszinierenden Jahrmarktswelt nicht mehr viel übrig geblieben. Matthis lebt mit seiner Freundin Meta in einer Wohnwagensiedlung am Rande Berlins. Immer mehr Künstler verschwinden, denn Andersartigkeit ist in der Diktatur des Dritten Reiches nicht gerne gesehen.

Die Geschichte von Matthis und den „vergessenen“ Artisten um ihn herum hat Vera Buck wirklich großartig erzählt. In Matthis Geschichte verbergen sich viele kleine Geschichten über außergewöhnliche Schicksale. Der Erzählstil ist manchmal durchaus etwas ausladend und könnte je nach persönlichem Geschmack manchmal auch als langwierig wirken. Aber er schafft definitiv Atmosphäre und macht das Buch zu einem richtigen Schmöker für alle, die sich gerne in längere Geschichten vertiefen. Aufgelockert wird die Erzählweise außerdem durch viel Humor:

„Dr. Alfons Nickel war ein zweifelhaftes Vorbild für seine Patienten. Er war kurzsichtig, asthmatisch und rauchte während einer einzigen Untersuchung so viele Zigaretten, dass er zwischendurch den Aschenbecher ausleeren musste.“ (Aus: Vera Buck. Das Buch der vergessenen Artisten. E-Book-Ausgabe)

 

Auch wenn es thematisch ganz anders ist, lässt sich Das Buch der Vergessenen Artisten im Erzälstil durchaus mit Felix J. Palmas Landkarte der Zeit vergleichen. Auch dieses Buch schafft es, trotz gewisser Langwierigkeiten nicht zu langweilen.

Im Verlauf des Romans wandelt sich die Geschichte überigens zusehends: Immer mehr Raum nimmt die persönliche Liebesgeschichte zwischen Matthis und Meta ein. Auch Matthis Arbeit mit der Röntgenmaschine und die daraus resultierende Strahlenkrankheit, die alle nur als eine „Erkrankung aus der Zukunft“ beschreiben können, wird wichtiger. Und schließlich geht es auch darum, Metas geistig behinderten Bruder Ernst vor der Euthanasie zu retten.

Das Buch der Vergessenen Artisten enthält viele Geschichten in einer. Es hat damit durchaus den Anspruch, den Zeitgeist einzufangen. Und dazu lässt es auch immer wieder historische Persönlichkeiten auftreten: Marie Curie, der Zirkusdirektor Sarasani und sogar Hitler sind schließlich persönliche Bekannte von Matthis und Meta. Dieses Konzept funtioniert überraschend gut, da Vera Buck dem Ganzen immer eine Prise Humor mitgibt und das Buch sich nicht zu ernst nimmt.

 


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